Oder warum dauert Entwicklung machmal so lange?
Am 20. Dezember 2015 heiratete meine beste Freundin in Münster. Ich war zu dieser Zeit Schulleiterin in Erlangen, Bayern und sollte Trauzeugin sein.
Es war eines der wenigen Jahre, in dem Bayern als einziges Bundesland noch Schule bis direkt vor Weihnachten hatte.
Das höchste christliche Fest und ausgerechnet das traditionelle Bundesland Bayern lässt seine Familien und Lehrer bis direkt vor den Feiertagen in die Schule gehen.
Dieses Thema beschäftigte viele meiner Kollegen, mich nicht so sehr.
Was mich hingegen beschäftigte, war, dass ich auf keinen Fall als Schulleiterin einen Tag früher in die Weihnachtsferien gehen wollte.
Ich sah mich sehr stark in der Vorbildfunktion und sah mich in der Solidarität mit meinen Kollegen.
Ich nahm mir einen Tag Bedenkzeit. Es war schließlich meine beste Freundin, die ich sowieso viel zu selten traf und ich wusste, wie wichtig es ihr war, mich dabei zu haben.
Ich überlegte und hatte sehr schnell meine Entscheidung getroffen.
Dann rief ich meine Freundin an und teilte ihr schweren Herzens meine Entscheidung mit: Ich könne auf keinen Fall ihre Trauzeugin sein, weil in Bayern noch Schule war und es keine Möglichkeit für mich gäbe zu ihrer Hochzeit zu kommen.
In den folgenden Jahren ermöglichte ich immer wieder Kollegen zu allen möglichen familiären oder privaten Ereignisse die Arbeit anders zu verteilen und auch mal früher in die Ferien zu gehen.
Das war mir sehr wichtig, denn ich bin der Überzeugung, dass die Motivation für die Arbeit dadurch, dass wir unser soziales Leben pflegen,wächst und die Freude an der Arbeit auch.
Das schultern wir als Kollegium auch gut, mal hilft der eine, mal der andere. Ein Netz der Unterstützung eben.
Warum habe ich das für mich nicht in Anspruch genommen?
Diese Frage war noch jahrelang in meinem Hinterkopf und heute acht Jahre später mache ich mich mal an einen Erklärungsversuch:
Ich war in diesem Jahr noch nicht in der Schulleiterrolle gut angekommen. Ich war innerlich noch unsicher.
Wäre ich souverän und sicher gewesen, hätte ich gehen können, den Kollegen vertrauen, dass sie diesen letzten Schultag gut meistern können und das Fest mit meinen Freunden genießen.
Ich hätte mir selbst erlauben können, dass ich es verdient habe und es okay ist.
Hätte ich mir selbst einen Rat geben können, in dieser Situation, hätte ich mir genau das geraten.
Was wieder zeigt, wie schlecht wir als unsere eigenen Berater sind. Oder sein können.
In den Osterferien danach, fuhr ich nach Münster und ging mit meiner Freundin Essen im Restaurant, indem die Hochzeit stattfand.
Noch Jahre danach tat es mir leid, dass ich nicht dabei war.
Ich habe mittlerweile gelernt freundlicher, offener und netter mit mir selbst zu sein.
Warum hat das so lange gedauert?
Sandra Schumacher