Es war mitten im Schuljahr 2018/19, kurz nach den Weihnachtsferien. Ich saß in meinem Schulleiterbüro und las meine Emails. Eine Email erregte meine Aufmerksamkeit. Eine Mutter schrieb, dass ihr Sohn (8. Jahrgangsstufe), der seit zwei Jahren Freilerner sei, sich dafür interessiert unsere Schule zu besuchen und ob sie vorbeikommen könnten. Mein erster Gedanke war, Freilerner wie interessant – in der Pubertät ganz für sich alleine zu lernen, stellte ich mir nicht so einfach vor und jetzt will er in die Schule zurück. Warum? Zwei Tage später kamen Mutter und Sohn zu uns zum Gespräch. Ich hatte eine Klassenlehrerin aus der Jugendstufe dazu gebeten. Zu ihr in die Lerngruppe würde der Junge gehen. Und er hatte bereits einen Tag von 8-16 Uhr miterlebt. Eigentlich nahmen wir so mitten im Schuljahr gar keine neuen Jugendlichen auf, aber auch die Lehrerin war meiner Meinung, das klang spannend und könnte uns bereichern. Er kam aus eigenem Antrieb und das fanden wir als Montessori-Pädagoginnen gut.
Im Gespräch wurde sehr schnell klar, dass der Junge sehr interessiert war. Er hatte sich gut vorbereitet und wusste alles über unser pädagogisches Konzept, was man der Homepage entnehmen konnte. Dazu hatte er viele Fragen. Er war offen und neugierig. Den Tag in der Schule fand er einfach prima. Er freute sich schon auf die Große Arbeit, die er sofort beginnen würde und hatte auch schon Themenideen. Die Mutter meinte, sie sehe sich in der Aufgabe der Unterstützerin. Genauso wie sie den Sohn vor zwei Jahren unterstützt hätte, als die Schule ihm nicht mehr gut tat und sie dringend einen Ausstieg brauchten, genauso würde die ihn jetzt unterstützen. Und dann stellte ich die Frage, die mich so dringend beschäftigte: „Warum möchtest du denn deine Freiheit aufgeben und in unsere Montessori-Schule kommen?“ Die Antwort war ganz schlicht: „Weil ich mit anderen Jugendlichen zusammen sein möchte, das ist mir das wichtigste.“
Die Lehrerin und ich waren sehr gut gelaunt nach dem Gespräch und freuten uns richtig über das Erlebte. Der Junge war ab diesem Tag Teil unserer Schulgemeinschaft und in der nächsten Ausgabe der Schülerzeitung konnte ich einen Artikel von ihm lesen, wie positiv sich sein Leben entwickelt hat, seit er unsere Schule besucht.
Sandra Schumacher
Wunder. Fliegen. Weiter.