Beim Journaling geht es darum, die eigene Entwicklung durch das Schreiben zu begleiten, oder man könnte auch sagen, sich schreibend zu entwickeln.
Gerade wenn du Führungsverantwortung hast, kann das Journaling deine Wahrnehmung schärfen und deine Führungsqualität erhöhen.
Mit Journaling zur Führungspersönlichkeit werden
Am ehesten kommt es dem Tagebuchschreiben nahe. Es gibt aber wesentliche Unterschiede. Der Unterschied zum Tagebuchschreiben ist, dass es beim Journaling darum geht, den Fokus auf die positiven Dinge zu legen und die innere Entwicklung in den Fokus zu nehmen, statt sich auf äußere Geschehnisse zu konzentrieren.
Und tatsächlich kann ich von mir sagen, dass ich schon als Kind sehr gerne meine Erlebnisse aufgeschrieben habe und diese Gewohnheit weiterentwickelt habe zu freiem Journaling und auch zu einem bewussten Entwicklungs-Journaling, die du es in meinem Buch „Mach dir die Schulleitung, wie sie dir gefällt“, findest.
Beide Arten des Journalings haben ihr Berechtigung und wenn dir ein Buch mit ganz leeren Seiten etwas Angst macht, emfehle ich dir, mit dem Journaling anhand konkreter Themen und Fragen zu beginnen.
Egal ob du dir selbst Fragen überlegst, oder anhand meiner Fragen das Journaling ausprobierst, oder beides kombinierst, die 7 Impulse wirken kraftvoll.
Ich selbst führe heute immer und täglich ein Journal und ich nehme es auch überall mit hin. Es ist Teil meiner Morgen- und Abendroutine. Es lenkt durch Fragen, die ich regelmäßig ändere, meinen Fokus auf das Positive in meinem Leben und darauf, was ich erreicht habe. Darauf gehe ich bei den 7 Impulsen genauer ein. Und ich liebe Bücher, die Journaling-Fragen integrieren, weil ich durch die Beschäftigung mit den Fragen die Themen einfach so viel tiefer mit mir verbinde.
Was brauchst du für das Journaling?
Zuerst einmal brauchst du die Lust, dich selbst zu reflektieren, um dich besser kennenzulernen.
Das Journaling schafft einen Raum für den Dialog mit dir selbst.
Journaling ermöglicht dir, dich bewusster wahrzunehmen und dieses bewusstere Wahrnehmen führt dazu, dass sich die Qualität der Fragen, die du dir selbst stellst, erhöht.
Das macht dich empfänglicher für die bewusstere Wahrnehmung der Menschen um dich herum. Und das steigert die Qualität deines Führungshandelns.
Stell es dir vor, wie einen Stein, den du in einen See mit spiegelglatter Oberfläche wirfst. Der Stein ist schnell verschwunden, doch es bleiben die Kreise, die das Wasser zieht.
So wie ein Stein im Wasser, zieht das Journaling seine Kreise und verändert dein ganzes Leben
Wie bei dem Stein, geht es beim Journaling nicht um das Schreiben an sich, sondern es ist ein Anstoß für positive Gedanken und für eine bewusste Verbindung und Haltung dir selbst gegenüber.
Vielleicht hast du schon einmal einen Menschen erlebt, der sich sehr klar ausdrückte. Du hattest den Eindruck, er oder sie weiß genau, was sie will. Du warst fasziniert und begeistert von dieser Ausstrahlung, die eine natürliche Autorität beinhaltete, die dir angenehm war. Du hattest sehr schnell das Gefühl, diesem Menschen vertrauen zu können.
Diese Ausstrahlung kannst du durch das Journaling erwerben.
Für das Journaling brauchst du nicht viel. Es genügt ein schönes Notizbuch und ein Stift mit dem du gerne schreibst.
In meinem Buch „Ich mach mir die Schulleitung, wie sie mir gefällt“ endet jedes Kapitel mit Fragen, die das Thema vertiefen und persönlich zu dir in Beziehung setzen. Es sind Journal-Impulse. Du beschäftigst dich anhand dieser Fragen persönlich mit deinem Standpunkt zum Thema des jeweiligen Kapitels.
Und das ist so richtig intensiv und macht Spaß.
Um dir die Beantwortung dieser Fragen zu erleichtern, habe ich ein Entwicklungs-Journal erstellt mit über 30 Seiten, das du zum Buch dazubekommst.
Natürlich kannst du auch einfach ein Buch mit leeren Seiten nehmen, wenn dir das angenehmer ist.
Beim Journaling fokussierst du dich bewusst auf deine Gedanken und Gefühle und nimmst deine persönliche Sichtweise und dein persönliches Empfinden in den Blick. Davon ausgehend möchte ich dir folgende 7 Impulse geben:
7 Impulse warum Journaling einfach gut für dich ist:
1. Du nimmst auch die kleinen Schritte wahr
Oft setzen wir uns, gerade beruflich Ziele, doch die kleinen Schritte, die kleinen Erfolge merken wir gar nicht. Kaum ist ein Ziel erreicht, kommt das nächste dran und unbemerkt reihen sich unsere Erfolge aneinander, ohne wertgeschätzt zu werden.
Das Journaling hilft durch die regelmäßige Reflexion deines (Führungs-) Handelns, dass du Deine ERFOLGE, auch die kleinen anerkennst.
2. Du wirst achtsamer
Journaling wirkt entschleunigend und das führt dich eher in dein eigenes Tempo. Vielen Menschen an Schule geht es so, dass sie das Gefühl haben im Schweinsgalopp unterwegs zu sein. Doch das laugt uns aus und führt auch zu keinen nachhaltig guten Ergebnissen. Journaling nimmt Tempo raus und nimmt den Spruch ernst „Wer es eilig hat, soll einen Umweg gehen.“
3. Deine Lebensqualität erhöht sich
Du lernst, dir selbst gute Fragen zu stellen und gute Fragen erhöhen die komplette Qualität deines Lebens! Es stimmt, ich habe es selbst ausprobiert. Es geht weniger, um gute Antworten im Leben, es geht mehr um gute Fragen. Und wie bei allen Themen, werden wir besser, wenn wir Zeit investieren und das Schöne ist: Journaling ist so richtig schöne, ruhige und angenehme Zeit. Du bist alleine mit dir selbst. Das ist wertvoll und hat echte Qualität.
4. Du nutzt die Kraft der Dankbarkeit
Wenn du dankbar bist für die kleinen und großen Dinge in deinem Leben, für deine eigene Entwicklung und auch für den leckeren Apfel, den du gerade gegessen hast, dann shiftest du deine Enrgie vom Mangel in die Fülle.
Das wirkt nicht nur auf dich, sondern auf dein ganzes Umfeld. Es steckt sozusagen an. Probiere es aus!
Ich erlebe es jeden Tag, dass Energie ansteckt
Schulleiter*innen, die bei mir Coaching machen, sagen immer wieder am Ende unseres Treffens, dass sie mit wesentlich mehr Energie gehen, als sie gekommen sind, obwohl wir ja intensiv an ihren Themen gearbeitet haben. Ich erlebe es jeden Tag, dass Energie ansteckt.
5. Du stellst dir positive Fragen
Du kennst es sicher, genauso wie ich, du stehst vor einem Problem und denkst über eine Lösung nach und du siehst überall nur Bäume. Nähere dich deinem Problem doch mal mit Fragen und das geht im Journaling so wunderbar und besonders gut eignet sich die „5-Mal-Warum-Methode“ aus dem Design Thinking. Wenn du also das Problem kurz aufschreibst, fragst du dich immer wieder „warum“. Das lässt dich tief in das Thema einsteigen und die Lösung wird greifbar.
6. Du setzt deine kreative Energie frei
Eine Übung mag ich besonders gerne, sie kommt auch in meinem Entwicklungs-Journal vor. Es ist die Übung 5 und es geht dabei darum, dass du dir einen Timer stellen kannst, zum Beispiel über 10 Minuten und zu einem Thema, das dich gerade beschäftigst, alles in dein Journal schreiben kannst, was dir einfällt. Wichtig ist, dass du dabei richtig in den Schreib-Flow kommst und nicht aufhörst zu schreiben. Wenn du also nicht mehr weißt, was du schreiben sollst, schreibst du, ich weiß gerade nicht, was ich schreiben soll. Dann fällt dir sicher gleich ein neuer Aspekt ein. Nutze dieses kreative Tool, es macht Spaß. Und regelmäßig angewendet, wird es immer leichter damit zu erstaunlich unerwarteten Aspekten zu kommen.
7. Setze dir eine starke Intention für den Tag
Eine Intention ist eine Absichtserklärung, sie fokussiert deine Aufmerksamkeit.
Kennst du den Satz „Energy flows where your fokus goes.“ Wo der Fokus liegt, da fließt die Energie.“
Die Impulsfrage ist: „Worauf möchte ich mich heute fokussieren?“
Folgende Beispiele sollen dir als Anregung dienen, worauf du deinen Fokus ausrichten kannst:
Setze dir eine starke Intention für den Tag
Gestalte dir die Atmosphäre beim Journaling so angenehm wie möglich. Mache dir einen Tee und setze dich an deinen Lieblingsplatz. Gönne dir die Ruhe und du wirst staunen, wie sich dein Erleben intensiviert.
Und denke daran, jeden Tag bekommst du ein kleines neues Leben geschenkt. Wenn du diesen neu geschenkten Tag dafür benutzt, ihn zu deinem Lieblingstag zu machen, wirst du dein Lieblingsleben führen.
Und das Journaling kann dabei ein Unterstützungs-Edelstein sein, der deinem „Lebens-Wasser“ Tiefe und Klarheit gibt.
Warum du Konflikte unbedingt ansprechen solltest und wie du die Eskalation verhindern kannst
Überall wo Menschen zusammen arbeiten entstehen Konflikte. Das ist etwas ganz Normales und gehört zum Zusammensein mit dazu.
Ein Konflikt entsteht, wenn Menschen unterschiedliche Interessen, Meinungen oder Wertvorstellungen haben.
Konflikte sind unvermeidbar. Das WIE ist entscheidend!
Konflikte müssen,
ja müssen (obwohl ich das Wort sonst gar nicht mag) angesprochen
werden.
Sonst verfestigen
sie sich und belasten die Atmosphäre.
Unangesprochene Konflikte können das Miteinander sogar richtiggehend vergiften. Wenn du lernen willst klar und souverän als Führungsperson zu kommunizieren, lege ich dir meine Fachausbildung zur souveränen Führungsperson ans Herz.
Konflikte zwischen Mitarbeitenden und Führungskraft
Zwischen Mitarbeitenden oder Kollegium und Führungskraft entstehen besonders gerne Konflikte.
Gründe
Gründe für
Konflikte zwischen Schulleitung und Lehrer*innen gibt es unzählige.
In der folgenden
Übersicht habe ich eine Liste erstellt, die einen ersten Überblick
gibt.
Denkbare Gründe für
Konflikte zwischen Lehrer*innen oder insgesamt dem pädagogischen
Personal und der Schulleitung:
– Fortbildung wird
nicht genehmigt
– unterschiedliche pädagogische Ansätze oder Meinungen
– fehlende
Anerkennung oder das Gefühl der fehlenden Anerkennung
– zusätzliche
Aufgaben sollen übernommen werden, wie zum Beispiel Vertretung oder
die Organisation von Veranstaltungen
– Stundenplanwünsche
werden nicht berücksichtigt, oder werden vermeintlich nicht
berücksichtigt
– vermeintlich
richtiges Verhalten wird kritisiert
– verschiedene
Sichtweise zur Kultur des Miteinanders
– fachfremder
Unterricht soll erteilt werden
–
Leistungsbereitschaft des Lehrers passt nicht zu den Erwartungen der
Führungskraft
– Sonderurlaub wird
nicht genehmigt
Und so weiter und so
weiter…
Es ist mir wichtig, klarzustellen, dass die Schulleitung mehr Macht hat Konflikte zu beenden, als der Lehrer, oder die Lehrerin.
Das ist wichtig zu
wissen und wenn man ein bisschen darüber nachdenkt ist es ja auch
klar.
Wenn ich in der Hierarchie weiter oben stehe, bin ich in einer sehr souveränen Situation.
Und ergiss nicht, das ist auch so, wenn du zu 98 Prozent lateral führst und also einen sehr partizipativen FührungsstilI bevorzugst.
Ich kann großzügig sein und auf meine Mitarbeitenden zugehen, ohne etwas zu verlieren, da ich generell mehr Handlungs- und mehr Entscheidungsspielraum habe.
Und jetzt kommt ein
dickes ABER.
ABER nur dann, wenn
ich nicht in der Einbahnstraße leite.
Was meine ich damit? Wenn ich mich nicht als der Bestimmer, die Bestimmerin sehe und ich nicht täglich und ständig unter Beweis stellen muss, dass ich hier die Leitung bin und deshalb mehr weiß, als alle anderen.
DER Schnelltest für
dein Leitungsverständnis
„Dieses Leitungsverständnis ist antiquiert und findet man an (freien) Schulen oder an Montessori-Schulen auf keinen Fall“, sagst du jetzt?
Doch, man findet es, es ist noch nicht ausgestorben und wenn du diesen Text liest und Leitung bist, habe ich einen Schnelltest für dich.
Stell dir einfach mal ganz offen und ehrlich folgende Frage: „Habe ich den Anspruch an mich die klügste Person im Raum zu sein?“
Wenn du jetzt nein
sagst, natürlich nicht, ich verstehe den Kontakt mit anderen
Menschen als Austausch und Bereicherung. Wir wachsen zusammen. Mal
weiß ich mehr und mal weiß der andere mehr. Meine Leitungsrolle ist
eine Funktion. Sie gibt mir andere Verantwortungen. Sie bedeutet
überhaupt nicht, dass ich auf jede Frage eine Antwort haben muss.
Dann gratuliere ich dir zu deinem differenzierten und respektvollen
Leitungsverständnis.
Wenn du aber denkst, ja ich habe tatsächlich diesen Anspruch, jedenfalls ab und zu. Ich baue mir als Leitung diesen Druck selbst auf. Dann bitte ich dich das einfach nur wahrzunehmen und freundlich mit dir selbst zu sein und es anzuerkennen. Im nächsten Schritt kannst du es ja gerne ändern, wenn du das möchtest.
Ein Konfliktbeispiel
Und nun zu einem konkreten Konfliktbeispiel. Beispiele machen ein Thema einfach greifbarer. Ich habe es sehr ausführlich beschrieben, um wirklich die kompletten Konfliktebenen herauszuarbeiten:
Eine Schulleiterin,
die ich coache erzählte mir von ihrem größten Konflikt mit einem
ihrer Lehrer. Er liegt schon einige Jahre zurück und beschäftigt
sie immer noch.
Folgendes ist
vorgefallen: Die Schulleiterin besuchte den Unterricht dieses
Lehrers.
Das ist etwas ganz
normales und gehört zu ihrem Job.
Der Unterricht war
nicht besonders toll. Der Lehrer sprach zu viel, die Einführung des
Themas war viel zu lang und die Übungen waren zu wenig differenziert
und vom Niveau her viel zu schwer.
Im anschließenden
Reflektionsgespräch lobte die Schulleiterin die Beziehung des
Lehrers zu den Schülern, die positive Arbeitsatmosphäre und die
angenehme Lehrerpersönlichkeit des Kollegen.
Alle drei Aspekte
fand sie aus ehrlichem Herzen heraus gut an dem Kollegen und dieser
freute sich sehr.
Er fühlte sich von
seiner Vorgesetzten gesehen und fing dann selbst damit an, seinen
Unterricht zu analysieren.
Dabei deckte er fast
alle kritischen Punkte auf, die die Schulleiterin auch beobachtet
hatte und machte selbst Verbesserungsvorschläge.
Die Schulleiterin
ergänzte ein wenig, musste aber eigentlich gar nicht mehr viel
sagen.
Das Gespräch war
sehr angenehm, die Beziehung zwischen den beiden wurde durch das
Gespräch gestärkt und die Schulleiterin ging gut gelaunt zu ihrem
nächsten Termin.
Sie war sehr
zufrieden mit der Reflektionsfähigkeit des Lehrers und war durch das
Gespräch zu der Überzeugung gelangt, dass der Lehrer tatsächlich
bereit und auch in der Lage war, seinen Unterricht zukünftig zu
verbessern und ein weiteres Beratungsgespräch war schon vereinbart.
Also alles erst
einmal gut so weit. Kein Konflikt in Sicht.
Zwei Tage später
bereitete die Schulleiterin eine Gesamtteamsitzung vor, an dem alle
Lehrer*innen und sonstigen pädagogischen Mitarbeiter der Schule
teilnehmen würden. Das waren um die 60 Personen.
Zum besseren
Verständnis ist es wichtig zu wissen, dass gerade eine sehr zeit-und
arbeitsintensive Stundenplanumstellung durch die Schulleiterin für
die ganze Schule erfolgt war, weil sich die Lehrer*innen seit Jahren
mehr Zeit am Stück für die Freiarbeit und das selbstorganisierte
Lernen gewünscht hatten.
Sie beschloss also
das Beispiel, dass sie im Unterricht des Lehrers vor zwei Tagen
beobachtet hatte, aufzugreifen, weil ihr in den letzten zwei Tagen
immer wieder voll Beunruhigung in den Kopf geschlossen war, dass
vielleicht noch mehr Kolleg*innen ihren Unterricht so zeitineffizient
gestalten und darin der eigentliche Grund für das ständige Gefühl
der Pädagog*innen lag, zu wenig Zeit zu haben. Sie wollte den
Unterricht vorstellen als ein Beispiel für schlechte Zeitnutzung.
Sie nahm also das
Unterrichtsbeispiel auf die Agenda und bereitete mehrere Tipps vor,
die leicht umsetzbar waren und den Lehrer*innen helfen würden den
Kindern mehr Selbständigkeit beim Lernen zu geben.
Das war der
Schulleiterin sehr wichtig und sie war sehr zufrieden mit ihrer
Vorbereitung und freute sich richtig auf den Austausch mit ihrem
Team.
Die Teamsitzung
verlief dann aber ganz anders als gedacht.
Als die
Schulleiterin das Beispiel erzählte nannte sie keinen Namen, doch
als der Lehrer mitten rein fragte, ist das mein Unterricht, den du da
als Beispiel anführst, bejahte sie das.
Mit hochrotem Kopf
und knallender Tür verließ der Lehrer die Schulaula, in der das
Treffen stattfand. Bevor er den Raum verließ schrie er mit sich
überschlagender Stimme folgenden Satz in Richtung der Schulleiterin:
„Gerade wenn man meint, es wird besser, wird man hier in die Pfanne
gehauen.“
Perplex und tief
berührt hielt die Schulleiterin inne.
Was war passiert?
Was hatte sie
verpasst? Warum war er so abgerauscht?
Die Luft knisterte
vor Unbehagen. Die Kolleg*innen rutschten unruhig auf ihrem Stuhl,
keiner fühlte sich mehr wohl. Die Schulleiterin klärte noch ein
paar organisatorische Dinge und beendete dann die Sitzung 30 Minuten
früher als geplant. Heute war keine Diskussion möglich. Zum
Abschluss sagte sie noch „Es tut mir sehr leid, dass das passiert
ist, ich wollte den Kollegen nicht bloß stellen. Ich hoffe, dass ihr
mir das glaubt.“
Was war passiert?
Sach- oder Beziehungskonflikt?
Man kann
grundsätzlich zwei Konfliktarten unterscheiden: Den Sachkonflikt, in
dem es um eine sachliche Meinungsverschiedenheit geht und den
Beziehungskonflikt, der die Beziehung zum Thema hat.
In diesem Beispiel
handelt es sich sicher um einen Beziehungskonflikt.
Denn von der Sache
her kann man der Schulleiterin wenig Vorwürfe machen. Denn in der
Sache, dass der Unterricht nicht optimal vorbereitet und durchgeführt
war, waren sich Lehrer und Leitung ja einig.
Doch was war
passiert?
Denke ruhig kurz
darüber nach und fühle dich in die beiden Konfliktpartner, den
Lehrer und die Schulleiterin ein. Gehst du mit einem der beiden in
Ressoanz? Kannst du also eine Seite mehr verstehen als die andere?
Warum ist das so? Denke auch mal über folgendes nach:
Wie könnte man nun
diesen Beziehungskonflikt lösen?
Und wessen Aufgabe
ist das? War der Lehrer nicht einfach etwas überempfindlich? Solle
er sich nicht so anstellen? Oder wie könnte die Schulleiterin nun
respektvoll mit dem Kollegen umgehen und wie könnte sich das ganze
Kollegium, das ja Zeuge der ganzen Situation geworden war, sich
positionieren? Oder besser raushalten? Ist das überhaupt möglich,
wenn man doch bei so einem massiven Gefühlsausbruch mit dabei war?
Die 9 Konfliktstufen
(nach Friedrich Gasl, Konfliktforscher)
Eine gute
Gelegenheit die verschiedenen Konfliktstufen (nach dem
Konfliktforscher Friedrich Glasl) an diesem Beispiel zu betrachten.
Der Ausbruch des
Kollegen war die Stufe 1: Verstimmung, es kam zu Irritationen und zu
Spannungen. In Stufe 2 kommt der Konflikt auf den Tisch. Es kommt zu
einem offenen Streit. In diesem liegt die Chance den Konflikt zu
lösen, wenn es gelingt eine konstruktive Auseinandersetzung zu
führen. Das könnte ein offenes Gespräch zwischen dem Lehrer und
der Schulleiterin sein, indem der Lehrer seine Bedürfnisse und
Erwartungen offen liegt und die Schulleiterin offen und
verständnisvoll zuhört.
Der Konflikt kann
aber auch weiter eskalieren, wenn die Beteiligten sarkastisch werden,
sich gegenseitig Vorwürfe machen oder zynisch werden.
Oder der Konflikt
wird unter den Teppich gekehrt und eben nicht auf den Tisch gepackt.
Es findet also kein klärendes Gespräch statt. Sondern man geht sich
aus dem Weg und wenn man sich trifft bagatellisiert man die Sache
„War nicht so wild“. Wenn das passiert und also die 2. und/oder
die 3. Stufe übersprungen wird, ist die Wahrscheinlichkeit sehr
hoch, dass der Konflikt zu einem späteren Zeitpunkt eskaliert. Zum
Beispiel beim nächsten Konflikt, der mit dem ersten gar nichts zu
tun haben muss.
Die 3. Stufe ist die
der Taten statt Worte. Man geht wie gesagtder Auseinandersetzung aus
dem Wege, macht Alleingänge und spricht sich nicht miteinander ab,
obwohl das der gute Weg wäre.
In der 4. Stufe
werden Koalitionen gebildet. Um sich psychisch zu entlasten, sucht
man sich Verbündete. In unserem Beispiel wären das vielleicht die
Kollegen, die nun gewollt oder ungewollt in den Konflikt
hineingezogen werden. Die negativen Eindrücke werden gegenseitig
ausgetauscht und verstärkt. „Fandest du es auch unmöglich, dass
die Schulleiterin meinen Unterricht als schlechtes Beispiel vor allen
ausgebreitet hat. So lasse ich nicht mit mir umgehen. Das findest du
doch auch, oder?“
Hier hat die Schulleiterin schon etwas vorgebaut mit ihrem erklärenden und sich entschuldigenden Abschlusssatz in der Konferenz, aber ob das ausreicht spätere Allianzen zu verhindern, liegt daran, wie gut und damit wie belastbar die einzelnen Beziehungen der Schulleiterin zu den anderen Lehrer*innen ist. Ist sie zum Beispiel neu in ihrem Job und hatte noch nicht genügend Zeit zum Aufbau von persönlichen Beziehungen, hat sie weniger Chancen, als wenn sie schon 10 Jahr oder so Schulleiterin ist.
Danach beginnt die
5. Stufe. Die Stufe des Gesichtsverlusts, bzw. des Gegenangriffs.
Nachdem man sich jetzt durch die Gewinnung von Verbündeten
Rückendeckung geholt hat und damit das eigene Selbstbewusstsein
gestärkt ist, legt man es darauf an das „wahre Gesicht“ des
Gegenübers oder auch Gegners (auch wenn ich dieses Wort nicht gerne
benutze, empfinden sich die Konfliktbeteiligten in dieser 5.
Eskalationsstufe sicher eher als Gegner, als als einfache Gegenüber).
Man meint das wahre
Gesicht des Gegners zu kennen und möchte, dass alle im Umfeld das
auch zu sehen bekommen und begreifen, mit wem man es hier zu tun hat.
„Der Lehrer ist so empfindlich, das wusste ich schon immer und ich
habe noch mehr Beispiele, wo er wie ein kleines Kind rausgerauscht
ist.“ oder aus Sicht des Lehrers: „Die Schulleiterin hat kein
Gespür für Menschen. Sie bügelt über die Gefühle der Kollegen
hinweg. Sie ist machthungrig und kalt.“ Hier reicht eine
Entschuldigung nicht mehr aus. Die Verletzungen sind tief, das
Vertrauen stark erschüttert.
Stufe 6 ist die
Ultimatum-Stufe. Der Konflikt ist jetzt so eskaliert, dass mit aller
Macht eine Veränderung herbeigeführt werden muss. Man hält es kaum
noch aus. Zu diesem Zweck werden Ultimaten und Drohungen gestellt.
„Drastische Konsequenzen werden folgen, wenn meine Forderungen
nicht erfüllt werden.“ Ist ein für diese Stufe typischer Satz.
Man schaukelt sich weiter gegenseitig hoch. Es kommt aber zu keiner
Lösung. Der Lehrer könnte zum Beispiel damit drohen den Eltern der
Schule mal zu erzählen was für eine Schulleiterin die Schule so
hat. Die Verhältnismäßigkeit ist überhaupt nicht mehr gegeben.
Die Stufen sind
nicht klar zu trennen und gehen ineinander über. In Stufe 7 werden
nun gezielte Vernichtungsschläge eingesetzt. Das kann in Form von
Worten geschehen, wie zum Beispiel dem ausstreuen vonGerüchte, oder
in Form von physischer Gewalt. Zunächst gegen Dinge, es werden zum
Beispiel Unterlagen vernichtet oder Reifen aufgeschlitzt.
Und nun kommen wir
(endlich) zu den beiden letzten Stufe der Eskalation eines Konflikts
und zwar der Zerstörung des gegnerischen Systems. Es ist eine
Verschärfung der 7. Stufe und auch die Familie und Freunde des
Gegners werden in die Vernichtungsabsichten einbezogen. Auf dieser
Stufe kommt es zu Behinderungen, zu offenen Sabotagen und zu
frontalen Angriffen.
Die 9. und letzte
Stufe ist die „Gemeinsam in den Abgrund“-Stufe. Es geht nur noch
darum den Anderen zu zerstören. Auch wenn man selbst dabei Schaden
nimmt.
So, das sind die
neun Konflikt-Eskalationsstufen nach Friedrich Glasl.
Puh, ganz schön schrecklich. Das wünscht man niemanden und deshalb lohnt es sich mit diesem „Horrorszenatio“, das nur Verlierer hat im Hinterkopf, sich intensiv der Konfliktlösung zu widmen.
Die Konfliktlösung
Kommen wir nun zur
Konfliktlösung.
In den Stufen 1-3
ist eine Win-Win- Lösung möglich. Das heißt es kann eine Lösung
gefunden werden, die beiden Seiten nutzt und bei der die Interessen
beider Seiten berücksichtigt werden können.
In den Stufen 4-5
entsteht eine Win-Lose-Lösung. Das heißt jetzt ist eine
einvernehmliche Lösung nur schwer möglich. Die Wahrung der
Interessen beider Seiten ist kaum zu schaffen. Meistens setzt sich
eine Partei durch, auf Kosten der anderen.
Der Einsatz eines
neutralen Vermittlers ist sinnvoll.
Auf den Stufen 7-9
kommt es zu einer Lose-Lose-Lösung. Beide Parteien müssen also
Federn lassen.
Auch ein neutraler
Vermittler kann wenig ausrichten, wenn die Parteien nicht an einer
gemeinsamen Lösung interessiert sind.
Die einzige
Möglichkeit, die noch besteht ist dass eine Macht von außen die
Klärung herbeiführt (zum Beispiel ein Gericht).
So, was bedeutet das jetzt für den Kontext Schule?
Lieber abwarten und Tee trinken?
Je früher man den Konflikt erwischt und löst, desto schneller, leichter und positiver ist er zu lösen.
Konflikttheorie
Noch eine kleine Ergänzung, damit ich die Theorie vollständig dargelegt habe:
Es muss nicht bei
jedem Konflikt jede Stufe durchlaufen werden.
Die Stufen sind
nicht scharf voneinander zu trennen. Sie gehen oft ineinander über.
Die Konfliktpartner können in ganz unterschiedlichen Stufen sein.
Unausgesprochene Konflikte brodeln, wie ein Vulkan…
Grundsätzlich ist es wichtig Konflikte auszutragen und zwar konstruktiv und respektvoll.
Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass unausgetragene Konflikte zu einem starken psychischen Ungleichgewicht führen können. Sie schwelen in der Person oder zwischen zwei Personen und vergiften die Atmosphäre.
Das Klima des Miteinanders ist entscheidend
Ein Klima des Respekts, des Verständnis und der Akzeptanz sind zentral. Sie sind der Boden, auf dem Konflikte gut angesprochen und gelöst werden können.
Und eine sehr gute Kommunikationsfähigkeit ist hilfreich. Die integrierend, anerkennend und empathisch ist.
Drei wichtige Grundsätze
Folgende drei
Grundsätze sollte die Schulleiterin in unserem Beispiel unbedingt
beachten, wenn sie das klärende Gespräch mit ihrem Lehrer
vorbereitet:
Die Einladung zum Gespräch soll schriftlich erfolgen. Die Email sollte eine klare Zielformulierung enthalten, gerne mit einer Ich-Aussage: „Mir ist es wichtig, mir ganz in Ruhe deine Sichtweise anzuhören und zu verstehen….“ Damit fühlt sich der Lehrer gesehen und respektvoll behandelt. Sie könnte ihm auch anbieten eine Vertrauensperson zur Unterstützung mitzubringen, falls ihm das gut täte.
Wertschätzung und Achtsamkeit
Achtsamkeit und Wertschätzung
Wertschätzung und Achtsamkeit sind die beiden Schlüsselwörter für Beziehungskonflikte. Wenn der Lehrer in unserem Beispiel in Selbstliebe, Selbstvertrauen und Selbstachtung geschwommen wäre, wenn er in diesen drei Themen richtig aus dem Vollen hätte schöpfen können, hätte er in der Konferenz mit den Schultern gezuckt und gesagt: „Na toll, das bin ich, das ist mein Unterricht, den die Schulleiterin hier beschreibt. Als Negativbeispiel für schlechtes Zeitmanagement im Unterricht. Toll. Naja, es stimmt ja, da habe ich noch einen Weg zu gehen, um ein positives Vorbild zu werden.“
Emotionale Ausbrüche sind Selbstschutz
Dass er so emotional
explodiert ist, bedeutet, dass er sich selbst sehr wenig
Wertschätzung und Achtsamkeit entgegengebracht hat.
Er hätte es von
außen gebraucht.
Das Gegenteil war aus seiner Sicht passiert. Er hatte keine Wertschätzung und Achtsamkeit von seiner Schulleiterin bekommen und er war in einen Verteidigungsmodus gefallen. Nichts anderes war sein Ausbruch.
In einer perfekten Welt voller Selbstliebe und Selbstachtung, müsste man sich nicht so verteidigen
Da wir nicht in einer perfekten Welt leben, in der alle unsere Bedürfnisse jederzeit und immer erfüllt sind und wir uns selbst so wertschätzen, wie wir es brauchen würden, ist es wichtig um diese Zusammenhänge zu wissen. Dann kann man sich entsprechend verhalten.
Das meine ich nicht als Entschuldigung. Der Lehrer, um diese Berufsbezeichnung zu verdienen, sollte sich unbedingt selbst reflektieren und sich ebenfalls entschuldigen. Bei seiner Schulleiterin und bei seinem Kollegium. Das wäre respektvoll und achtsam.
Konflikte als Chance
Kann man denn nun
Konflikte als Chance sehen und sie sogar nutzen, um die Beziehung zu
stärken?
Ja, das geht
tatsächlich.
In unserem Beispiel könnte die Schulleiterin sich betroffen zeigen davon, dass das Pflänzchen des Vertrauens zwischen ihr und ihrem Kollegen, das durch den so positiv verlaufenen Unterrichtsbesuch entstanden war, so schnell wieder ausgerissen wurde.
Sie könnte sich von Herzen entschuldigen und fragen, was der Kollege von ihr brauchen würde, um wieder Vertrauen zu fassen. Sie könnte ihm aktiv zuhören und ihm mit dem Spiegeln seiner Aussagen zeigen, dass sie verstanden hat, was er in diesem Moment fühlte.
Der Lehrer hingegen könnte sich genauso entschuldigen. Er könnte anerkennen, dass die Schulleiterin überhaupt keine schlechte Absicht hatte. Sie wollte ihn nicht vorführen. Sie wollte nur etwas rausarbeiten, was sie für die Schule insgesamt sehr wichtig fand.
Wäre es für beide okay, das nächste Mal vorher darüber zu sprechen und die Sitzung gemeinsam vorzubereiten?
Was brauchen nun die anderen Kollegen, um wieder beruhigt zum Alltag zurückzugehen? Sollte man gemeinsam vor der nächsten Sitzung etwas zu den Kollegen sagen, zum Beispiel: „Wie konnten das gut miteinander klären, wir haben….?“
Meiner Erfahrung nach möchte kein Mensch in einem Konflikt verharren, schon gar nicht Vorgesetzte und Mitarbeiter. Das macht einfach keinen Spaß.
Win-Win-Lösungen als Ziel
Deshalb lohnt es sich früh aktiv zu werden und in die Win-Win-Lösungen sollten wir unsere komplette Energie setzen.
Prävention für Konflikt-Eskalation
Und die beste Prävention für eskalierende Konflikte ist ein guter Kontakt zu sich selbst, Selbstliebe und Selbstaufmerksamkeit, Achtsamkeit und Werrtschätzung sich selbst gegenüber.
Selbstvertrauen und Selbstliebe
Das macht uns so unabhängig von den Menschen um uns rum. Die uns gar nichts Böses wollen. Deshalb müssen wir uns auch nicht verteildigen, sondern können unsere unterschiedlichen Meinungen als Bereicherung begreifen. Wow, das ist ja toll!!!
Schreib gerne in die
Kommentare deine Anmerkungen, Erfahrungen, Beispiele. Vor allem deine
Lösungserfahrungen würden mich sehr interessieren.
Wir sind in der Schule ja schließlich ein Beispiel für die Kinder und Jugendlichen und im Konfliktfall ein Vorbild.
Nicht weil wir Konflikte vermeiden, sondern weil wir sie positiv und lösungsorientiert gestalten und sie nutzen, um unsere Beziehungen zu stärken.
Nicht mehr Teil des Kollegiums, autsch das tut richtig weh
Was ist ein Lebenswendepunkt?
Lebenswendepunkte haben zwei Seiten
Das ist ein Punkt in deinem Leben, an denen sich dein Leben positiv verändert. Du hast etwas grundlegend neu verstanden, dich geöffnet für eine neue Herausforderung oder einen mutigen Schritt gewagt.
Dein Leben lässt
sich einteilen in den Abschnitt vor diesem Wendepunkt und nach diesem
Wendepunkt.
Unser Leben hat mehrere dieser Wendepunkte. Wir erleben sie nicht immer bewusst, wenn du aber auf dein bisheriges Leben zurückblickst findest du sie. Sie unterteilen dein Leben ganz deutlich in verschiedene Abschnitte.
Die Übernahme einer Position als Schulleiter*in ist auf jeden Fall ein Lebenswendepunkt
Warum?
Du stößt auf neue Aufgaben und Herausforderungen. Du entwickelst neue Fähigkeiten und Blickwinkel. Du lebst eine neue Rolle. Die Menschen behandeln dich anders, manche Menschen sehen sogar deinen Wert als gestiegen an.
Durch viele, viele kleine und große Entscheidungen positionierst du dich, was für eine Schulleitung du sein willst.
Wofür du stehen willst, was die Menschen hinter deinem Rücken über dich sagen sollen (und nicht nur positives, das kaufst du mit der Rolle natürlich auch ein, das ist ein Gesamtpaket. In diesem Gesamtpaket bekommst du auch massive Kritiker*innen mitgeliefert, aber dazu an anderer Stelle mehr, dieses Thema ist ein eigener Blogpost wert).
Du triffst vielleicht auch Entscheidungen von denen du befürchtest, dass sich dein Bild im eigenen Spiegel verändern wird. Entscheidungen, die nicht gut sind, weil die Situation keine gute Entscheidung ermöglicht.
All diese Prozesse
verändern dich, lassen dich reifen und wachsen.
Warum sind Lebenswendepunkte wichtig?
Jetzt fragst du dich vielleicht, wofür es wichtig ist, dich mit den Wendepunkten in deinem Leben zu beschäftigen?
Es hilft dir, dich selbst und deine Entwicklung besser zu verstehen. Du kannst durch das bewusste Wahrnehmen deiner Wendepunkte, diese auch besser einordnen und ihre genaue Bedeutung für deine Persönlichkeitsentwicklung wahrnehmen. Du verstehst die Dynamik des Lebenspunktes an dem du gerade stehst besser.
Wenn es dir gelingt ein vollständigeres Bild von dir und deiner Lebenssituation zu bekommen, dann hast du die Chance ein zufriedener Mensch zu werden. Du steuerst dein Leben bewusster und kannst einschätzen wo du gerade stehst.
Ein Wendepunkt hat immer zwei Seiten.
Eine Seite beendet etwas, schließt einen Lebensabschnitt ab und die andere Seite beginnt etwas, läutet einen neuen Lebensabschnitt ein.
Ich möchte das an
einem Beispiel verdeutlichen:
Das Beispiel Karen
Ich erläutere es am Beispiel von Karen.
Karen war Ende 30,
als sie sich dazu entschloss, sich auf die Stelle als Schulleiterin
zu bewerben. Sie war bereits kommisarische Schulleitung für ein
Jahr, als sie sich fest für die Stelle bewarb.
Sie war als Lehrerin
angesehen und beliebt. Ihre Beziehung zu den Jugendlichen war ein
Vorbild für ihre Kollegen und regelmäßig fragten Kollegen sie,
wenn sie fachlich nicht weiterkamen. Karen hatte für alle ein
offenes Ohr, war im Kollegium beliebt und eine sehr kompetente
Lehrerin. Es war eine gute Voraussetzung, um Schulleiterin zu werden.
Sie genoss also die Akzeptanz und den Respekt des gesamten
pädagogischen Teams.
Das
Bewerbungsverfahren war transparent und offen und als sie den Job
bekam, freute sie sich sehr auf die neue Aufgabe, da sie der Meinung
war, dass sie ziemlich gut wusste, was auf sie zukam und sich den
Aufgaben komplett gewachsen fühlte.
Nach ein paar
Monaten merkte sie, dass die Gespräche erstarben im Lehrerzimmer,
wenn sie es betrat. Die Kolleg*innen behandelten sie anders. Sie
gehörte nicht mehr dazu, sie gehörte jetzt zur Leitung. Das traf
Karen. Sie fühlte sich nicht mehr wohl in der Leitungsrolle, schlief
schlecht und begann an der Richtigkeit ihrer Entscheidung die
Schulleitung zu übernehmen, zu zweifeln. Da kam sie zu mir. Wir
betrachteten den Lebenswendepunkt „Übernahme der Schulleitung“
von allen Seiten. Für Karen war es der nächste logische Schritt,
der sich gut an ihre Entwicklung als Lehrerin anschloss. Sie hatte
sich bewusst dafür entschieden und fühlte sich gut vorbereitet. Das
Jahr als kommisarische Schulleitung hatte ihrem Selbstbewusstsein gut
getan.
Sie nannte diese Seite des Wendepunktes „Schulleitung mein logischer nächster Schritt“, der griffige Name, den sie wählte war, „Weiterentwicklung“.
Leben ist wachsen.
Die andere Seite war
für sie, das ihr der kollegiale Austausch, die Gemeinschaft mit den
Kolleg*innen unglaublich wichtig war. Sie hatte jahrelang daraus ihre
Kraft gezogen und sich nach den Ferien auf die Kinder gefreut, aber
fast noch mehr auf die Kolleg*innen. Nun hatte sie das Gefühl, dass
das zu Ende war. Es machte sie traurig. Andererseits verstand sie
auch, dass es nichts persönliches war, sondern, dass sie als
Schulleiterin eine andere Funktion hatte und es wichtig war, dass sie
mit der Distanz, die die Kollegen zu brauchen scheinten, souverän
umging.
Es ging für sie um
die Akzeptanz der Schulleitungsrolle als eigenes Selbstverständnis
und sie nannte diese Seite „Rollengestaltung“. Nun war klar, dass
sie sich nicht als Opfer der Einstellungen der Kolleg*innen sehen
würde, sondern dass sie tatsächlich ein ganz eigenes authentisches
Selbst- und Rollenverständnis kreieren wollte.
Dafür nahmen wir
uns einige Zeit im Coaching. Ich möchte den Prozess hier nicht
vollständig darstellen, nur den Teil, den die Arbeit mit dem
Lebenswendepunkt betrifft.
Karen überlegte sich Sätze, die mit „Ich, Karen bin als Schulleiterin…“ und kreiierte sich damit ein ganz eigenes Rollenverständnis. Bezogen auf die Zugehörigkeit zum pädagogischen Team überlegte sie sich, dass sie akzeptieren würde, dass sie nicht mehr so dazu gehörte, wie das als Lehrerin der Fall war. Doch sie wollte nicht ganz auf dieses Zugehörigkeitsgefühlt verzichten und überlegte weiter, wie könnte ihr das gelingen?
Der Lebenswendepunkt Schulleiterin werden
Nach einigen Tagen
des Nachdenkens, kam sie auf eine smarte und einfache Idee: Warum
nehme ich es nicht selbst in die Hand und schaffe diese Gemeinschaft.
Und das tat sie.
Sie kochte einmal im
Monat Freitagmittags in der Schulküche Spagetti für die Kollegen.
Mit diesem zwanglosen Essen wollte sie das Wochenende einläuten. Sie
lud die Kolleg*innen dazu ein und diese freuten sich riesig über
diese Wertschätzung ihrer Chefin und kamen sehr gerne. Karen konnte
bei diesen Essen ihr Bedürfnis der Zugehörigkeit erfüllen.
Karens Zufriedenheit
mit ihrer Rolle wuchs wieder.
Bald übernahmen die
Kollegen abwechselnd das Kochen am Freitag und verwöhnten ihre
Führungskraft und sich selbst mit diesen geselligen Essen. Die
Anerkennung und die Akzeptanz trug Karen auch in schwierigen Zeiten.
Es war ihr gelungen, ihren Lebenswendepunkt positiv zu gestalten.
Hätte sie das nicht
aktiv gemacht, hätte es sein können, dass sie begonnen hätte ihre
Entscheidung Schulleiterin zu werden zu hinterfragen oder zu bereuen.
Dieser Prozess hatte ja sogar schon begonnen. Wäre er
weitergegangen, hätte das leicht zu Unzufriedenheit und Zweifel
geführt. Möglicherweise hätte sie und ich viel Energie darauf
verwendet, sich zu fragen, ob eine Entscheidung richtig war.
Durch die bewusste
Gestaltung der Lebenswendepunkte vermeidest du das.
Der Effekt auf die
insgesamte Lebenszufriedenheit lohnt sich.
Das Beispiel von Karen zeigt das, wie ich finde sehr deutlich.
Stehst du gerade vor einem Lebenswendepunkt?
Ich hoffe es für dich, denn sie sind das Salz in der Lebenssuppe!
Es war Ende November und alle Kinder meiner Lerngruppe (ich arbeitete zu der Zeit als Klassenlehrerin einer 1.-4. Klasse gemischten Lerngruppe an der Montessori-Schule), die im September eingeschult wurden, lasen bereits. Alle, bis auf einen.
Eines Morgens erzählte ich eine Geschichte. Sehr begeistert erzählte ich sie, denn Begeisterung ist der Feenstaub beim Lernen, also das Zaubermittel.
Eine wahre Geschichte
Es war eine wahre Geschichte und sie handelte von einer Löwenfamilie und davon, wie diese ihre Aufgaben verteilten und was jeder zu tun hatte in der Löwengruppe. Ich verzichtete darauf den Löwen Namen zu geben oder sie sonst wie zu verniedlichen. Die Geschichte war eine begeistert und spannend erzählte Sachinformation zum Thema „Lebenswelt der Löwen“.
Eine Erkältung als Lernkatalysator
Dann war ich eine Woche krank. Mich hatte eine Erkältung erwischt, was leider leicht passiert, wenn man jeden Tag mit über 20 Kindern zusammen ist.
Als ich wieder da war, konnte der Junge lesen. Ich war sehr erfreut und fragte ihn:“ Was ist passiert? Das ging ja jetzt schnell.“ Er antwortete: „Ja, du warst ja krank.“ Ich schaute ihn verblüfft an, da ich überhaupt nicht verstand, was ich mit seinem Lesenlernen zu tun haben könnte, zumal ich ja nicht mal in der Schule war. Er meinte: „Ja, ich wollte ja wissen, wie das mit den Löwen genau ist und ich konnte dich nicht fragen, also habe ich lesen gelernt, ganz viel über Löwen gelesen und nächste Woche halte ich ein Referat dazu.“
Wow. Noch heute, viele Jahr danach, bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich seine Worte aufschreibe.
Es hat mich sehr berührt.
Was ist Lernmotivation?
Wie schnell und wie viel und wie gut ein Mensch lernen kann, wenn es nötig ist, um das Interesse, unsere stärkste Motivation zu befriedigen.
Meine Definition lautet: Lernen ist Motivation und Verbindung.
Und diesen Jungen musste man nicht mit einem Tablet oder einer tollen Lernoberfläche zum Lernen verlocken. Es war die Verbindung zum Thema in Kombination mit der Bindung zu mir, seiner Lehrerin, die ihn zum Lernen brachte. Er brauchte als Lernumgebung einen Raum voller Sachbücher. Wahrscheinlich hätte sogar ein gutes Buch ausgereicht.
Egal welches Lernmedium wir einsetzen, wir sollten uns fragen, ob es der Bindung und der Motivation dient. Wenn die Lernumgebung verschiedene Möglichkeiten bereit hält, um das Gleiche zu lernen, suchen sich die Kinder und Jugendlichen das Medium aus, mit dem sie am besten zurecht kommen.
Das kann ein Buch sein, ein Schülervortrag, ein Film, eine Zeitschrift, ein Bild, eine Lernsoftware, was auch immer. Abhängig vom Thema und vom Alter des Kindes, oder des Jugendlichen.
Und in der Abwechslung liegt der Reiz, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Ich liebe Visualisierungen, die liebevoll gestaltet sind, lese gerne am Kindle, Sachbücher hingegen lieber auf Papier. Ich mag die technischen Möglichkeiten, wie Videokonferenzen genauso, wie webbasierte Präsentationen.
Und ein persönliches Treffen und Ideenentwickeln auf einer Flipchart ist ebenfalls toll.
Was meinst du dazu? Ich staune über das Spektrum, das uns zur Verfügung steht und ich möchte alles nutzen, auch und gerade wenn ich Schulen unterstütze.